Pro & Contra: Sind iOS-Apps auf dem Mac eine gute Idee?

Für macOS Mojave hat Apple erste iPhone-Apps portiert – Home, Aktien, Sprachmemos und News – 2019 dürfen weitere Entwickler folgen. Kann dies den Mac wirklich voran bringen oder schneidet sich Apple ins eigene Fleisch?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Thomas Kaltschmidt

Artikel aus Mac & i Heft 4/2018, Seite 7

Leo Becker meint, der Mac App Store wird mit Apps aus dem iOS-Kosmos wieder aufleben.

Durchdachte Software zeichnet den Mac seit jeher aus, weniger die Menge an verfügbaren Apps. Doch die Zahl spannender Neuerscheinungen hat so rapide abgenommen, dass es mir Sorge bereitet. Bei einem Blick in den Mac App Store kann man die dicken Spinnweben beinahe fühlen.

Wenn 2019 beliebte iPhone-Apps auf den Mac kommen, bringt das frischen Wind in das schale Software-Angebot – und verwandelt macOS in eine attraktive Plattform für Entwickler, die mit dem iPhone groß geworden sind. Davon profitiert nicht nur Apple, sondern auch jeder Mac-Nutzer. Auf macOS portierte iOS-Apps mögen anfangs etwas fremd wirken und Fähigkeiten altgedienter Software vermissen lassen. Doch steuere ich meine HomeKit-Geräte lieber über eine schlichte Home-App statt weiterhin gar nicht vom Mac aus. Auch eine native Netflix-App würde ich dem Browser sofort vorziehen.

Letztlich gewinnt wohl nicht nur der Mac: Mancher Entwickler wird sich angespornt fühlen, seine bald für Mac, iPhone und iPad geeignete Software auf jeder Plattform zu optimieren. Auch wird eine ständige Umgewöhnung überflüssig, wenn iPhone-, iPad- und Mac-App ein einheitliches Bedienkonzept verfolgen. Wenn es dann alle drei Apps zu einem Preis gibt – umso besser. Große Änderungen bei Software-Kon- zepten versetzen Mac-Nutzer seit jeher in Aufregung: Weit vor Einführung des iPhones sah mancher den Untergang nahen, als Apps wie Delicious Library verspielte grafische Effekte vor Funktionalität setzten. Dem Mac hat das nicht geschadet – im Gegenteil, er hat immer mehr Nutzer gefunden. iOS-Apps für den Mac sind Apples beste Idee, um die Plattform mithilfe des Überfliegers iPhone weiter wachsen zu lassen – und zwar langfristig. (lbe)

Thomas Kaltschmidt hält iOS-Apps auf dem Mac für einen billigen Kompromiss.

Mit der kommenden Möglichkeit für Entwickler, iOS-Apps ohne große Änderungen auf den Mac zu portieren, widerspricht Apple sich selbst: Damit bringt das Unternehmen zusammen, was nicht zusammengehört. Die Plattformen und Bedienphilosophien zwischen Mac und iPad / iPhone sind einfach zu unterschiedlich. Daran ändert auch eine neue Zwischenschicht für macOS nichts: Ohne Touch-Display, Stift und Sensoren werden die meisten iOS-Apps nur schwache Abbilder der Originale bleiben.

Die für das neue macOS von Apple angepassten Apps taugen kaum als leuchtende Beispiele. Der Aufwand wäre nicht groß, sie von Grund auf neu für den Mac zu entwickeln. Wenn nächstes Jahr tausende iOS-Apps den Mac-App-Store fluten, kriegen wir auch dort den ganzen Schrott, der auf iPhone und iPad nur nervt. Viele iOS-Entwickler lockt doch nur eine neue Einnahmequelle. Einige sind faul und sie werden nicht allzu viel Energie in die Mac-Anpassung stecken. Die Qualität der Apps wird daher eher sinken.

Jede darf nur ein Fenster verwenden; Paletten oder Dialoge sind nicht erlaubt. Dazu können iOS-Apps das viel größere Display auf dem Mac unmöglich sinnvoll nutzen – geschweige denn einen zweiten Monitor. iOS-Bedienoberflächen sind auf dem Mac viel zu luftig, schließlich wurden sie ursprünglich für die Fingerbedienung konzipiert. Umgekehrt bleiben den sortierten iOS-Apps vermutlich auch Mac-Spezifika verwehrt – die Touch Bar beim MacBook etwa, raffinierte Tastenkombinationen oder Mausgesten. Die Möglichkeiten der Bedienung werden unnötig reduziert. Gut sortierte Apps sollten sie alle nutzen statt außen vor zu lassen. Alles in allem bleibt die Idee ein billiger Kompromiss, solange Macs nicht auch mit Touchscreen kommen. Erst dann ergäbe der Schritt Sinn. (thk)

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Zuvor bei Pro & Contra: Ist Apples Face ID wirklich ein Fortschritt? (thk)