Mac & i 6/2016
S. 3
Editorial
Leonhard Becker

Mehr Liebe für den Mac

Dem MacBook Pro mit Touch Bar erging es wie vielen anderen Apple-Produkten zuvor: Auf die Einführung folgte der übliche Sturm der Entrüstung. Doch in die Klagen über gestrichene Schnittstellen, zu wenig und obendrein verlötetes RAM, erforderliche Adapter und hohe Preise hat sich ein neuer Unterton gemischt: Nutzer, denen die Leistung und Erweiterbarkeit des MacBook Pro nicht ausreicht, haben zum ersten Mal keine richtige Alternative mehr, wenn Sie zeitgemäß mit macOS arbeiten wollen.

Der 5K-iMac hat inzwischen mehr als ein Jahr auf dem Buckel und längst nicht jeder braucht die feste Kombination aus Computer und Bildschirm. Der Mac mini wird seit jeher nur sporadisch aktualisiert und lässt besondere Ansprüche nach Leistung und Erweiterbarkeit unerfüllt. Bleibt der Mac Pro – einst das große Flaggschiff, nun ein Relikt. Bis vor kurzem bewarb Apple ihn tatsächlich noch mit einem Aperture-Benchmark, einer Software, die selbst schon seit über 18 Monaten auf dem Abstellgleis steht.

Es ist mir unbegreiflich, dass Apple vor drei Jahren einen komplett neuen Desktop-Mac eingeführt hat, um diesen dann geflissentlich zu ignorieren. Über 1000 Tage sind inzwischen vergangen, ohne jegliches Update, nicht einmal beim Preis. Wechselkursanpassungen machten die unveränderte Hardware mancherorts sogar teurer, so vor wenigen Wochen in Großbritannien.

Da wundert es nicht, dass frustrierte Nutzer mit einem Hackintosh liebäugeln oder gar nach der Rückkehr der Mac-Klone rufen. Soll doch ein Dritthersteller die Hardware bauen, wenn schon Apple kein Interesse daran zeigt, argumentieren sie. Für Microsoft ein gefundenes Fressen: Das Surface Studio – gewissermaßen ein Touchscreen-iMac mit Pencil-Unterstützung – umwirbt die „Creative Pros“, Apples klassische Zielgruppe für die Pro-Hardware.

Um die Sorge zu zerstreuen, haben Apple-Chef Tim Cook und Marketing-Vize Phil Schiller in den letzten Wochen wiederholt ihre „Liebe zum Mac“ bekundet. Schiller fügte sicherheitshalber hinzu, sie gelte den Notebooks und den Desktops.

Mit der Touch Bar hat Apple den Willen gezeigt, erheblich in die Weiterentwicklung des MacBook Pro zu investieren (siehe Seite 46). Der Aufwand für die Hardware- und Software-Integration der ARM-basierten Multitouch-Leiste muss immens gewesen sein.

Hoffentlich bleibt da noch genug Liebe für die Desktop-Macs übrig.

Unterschrift Leonhard Becker Leonhard Becker